
Mittler zwischen dem Menschen und der Realität
Im medialen Zeitalter, in dem der Zugang zur Realität notwendigerweise durch Symbole vermittelt wird, erweisen sich die Theorien des Neukantianers Ernst Cassirer und des Psychoanalytikers Jacques Lacan als besonders aufschlussreich und komplementär. Beide Figuren haben wesentlich zum Verständnis der menschlichen Erfahrung beigetragen, indem sie Symbole – ob Bilder, Wörter oder Signifikanten – als entscheidende Mittler zwischen dem Menschen und der Realität hervorheben.
Cassirer, ein Philosoph des frühen 20. Jahrhunderts, ist vor allem durch seine Philosophie der symbolischen Formen bekannt. Diese dreiteilige Werkreihe versteht die menschliche Erkenntnis als Ergebnis von Symbolisierungsprozessen, durch die Menschen ihre Welt strukturieren und verständlich machen. Für Cassirer ist der Mensch ein „animal symbolicum“, das sich von der Welt nicht durch rohe Wahrnehmungen, sondern durch aktive symbolische Vermittlung ein Bild macht. Dieses Bild ist nicht statisch, sondern dynamisch und entwickelt sich kontinuierlich weiter durch Kunst, Religion, Wissenschaft und Sprache.
Lacan, dessen Arbeit in der Mitte des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte, fokussierte auf die psychische Realität des Unbewussten, das sich durch die Strukturen der Sprache offenbart. Seine berühmte These, dass das Unbewusste wie eine Sprache strukturiert ist, bezieht sich auf die Art und Weise, wie Signifikanten die menschliche Erfahrung organisieren und prägen. Auch für Lacan ist der Mensch ein Wesen, das zum Symbol gebunden ist, jedoch mit einem stärkeren Akzent auf die unbewusste Dimension dieser Bindung.
Obwohl die Ansätze von Cassirer und Lacan unterschiedliche Disziplinen und Kontexte widerspiegeln, ergänzen sie sich überraschenderweise und korrigieren sich sogar gegenseitig aufgrund ihres geteilten Verständnisses des Menschen als „animal symbolicum“. Ihre komplementären Tenets bieten aufschlussreiche Perspektiven für unterschiedliche Bereiche innerhalb der Geisteswissenschaften.
Nehmen wir zum Beispiel die Wahrnehmung. Cassirer zeigt auf, wie unsere sensorischen Erfahrungen durch kulturelle und symbolische Systeme geformt werden, während Lacan die Bedeutung der psychischen Strukturen betont, die das, was wahrgenommen wird, organisieren und interpretieren.
In der Sprache finden wir bei Cassirer ein Werkzeug der kognitiven Vermittlung, das Wissen und Gedanken kommunizierbar macht. Bei Lacan dagegen wird Sprache zum Terrain, auf dem das Unbewusste zum Ausdruck kommt und die Subjektivität bestimmt.
Politik und Ethik werden von beiden Philosophen ebenfalls behandelt. Cassirer betrachtet politische Mythen und Ideologien als symbolische Formen, die die soziale Wirklichkeit beeinflussen, während Lacans Werk die Ethik in den Kontext des Begehrens und des Gesetzes des Symbolischen stellt, und damit manchmal auch zu einer Kritik des sozialen Gefüges führt.
Schließlich, im Kontext der Geisteskrankheit, bietet Cassirers Ansatz eine Möglichkeit, pathologische Wahrnehmungen und Ideen als Brüche in den symbolischen Strukturen zu verstehen, während Lacans Psychoanalyse die Funktionsstörungen des Unbewussten und die Mechanismen der Verdrängung und des Begehrens, die in psychischen Störungen eine Rolle spielen, beleuchtet.
Die Erkenntnisse von Cassirer und Lacan ermöglichen nicht nur ein tieferes Verständnis dessen, was es bedeutet, ein Mensch in einer symbolisch vermittelten Welt zu sein, sondern eröffnen auch neue Wege, die komplexen Phänomene der menschlichen Kultur zu interpretieren und zu analysieren. Indem wir ihre Theorien in Konversation bringen, können wir unser Verständnis für die reiche und komplizierte Natur der menschlichen Erfahrung erweitern. Ihre komplementären Perspektiven können Licht auf die Nuancen und Tiefen der Wirklichkeit werfen, die wir alle täglich navigieren.